Sibylle Berg
Mit Faschisten reden:
Unendlich öde!
Während die Linken über gelungene Gesprächsführung mit Schlägern, Brüllern und Menschenhassern nachdenken, formiert sich in aller Ruhe eine faschistische Bewegung.
Die Zeit des Redens ist vorbei.
Oh, was ist das denn? Eine Petition, wie schön, eine Petition.
Für das Recht der Faschisten, ungestört Menschenhass zu verbreiten. Für den friedlichen Frieden, den Faschisten nicht wollen, aber brauchen, um gegen Menschen zu hetzen, die nicht männlich und biodeutsch sind. Für den Schutzraum, den Faschisten brauchen, um Andersdenkende auszubuhen, körperlich anzugreifen, mit Trillerpfeifen und der immer gleichen Verächtlichmachung zum Schweigen zu bringen.
Es braucht Zonen der Ruhe, damit Faschisten sich entfalten können und Feuerchen vor Heimen legen und Juden angreifen, dafür müssen wir unbedingt und dringend eintreten, wir müssen den Dialog suchen, die andere Wange hinhalten, denen demokratische Grundrechte zusichernd, die die Demokratie verachten, Trutzburgen schaffen für Hetze, die sich blumengleich entfalten darf und muss. Wir müssen Lichterketten für Verlage mit klar intellektueller rechtsextremistischer Ausrichtung bilden, beten für deren Autoren, die bekennende Faschisten sind.
Und endlich ist da wieder eine Klarheit vorhanden, was früher verwässert und ohne Bedeutung war, gilt wieder was. Es gibt rechts und links.
Und man muss sich positionieren. Die Trägheit der Politik und den Schwachsinn des unregulierten Kapitalismus vergessend, heißt es Stellung beziehen, in einer Zeit, in der das Phlegma des Geistes nach einfachen Lösungen schreit und in der ein Kampf begonnen hat, darum, wie die Menschen leben wollen. In einer Diktatur der Lautesten, die sich außer Verachtung, Herabsetzung und Asozialität durch nichts auszeichnet, oder in einer Welt, in der die Menschen wider ihre Natur versuchen, miteinander auszukommen und schwächere Mitglieder der Gemeinschaft zu schützen.
Die Zeit des Redens ist vorbei.
Das ist so unendlich öde. Diese rückwärtsgewandten Links-rechts-Schlachten, es hält von dem ab, was wirklich wichtig wäre – der Kampf gegen die sich selber fressende neoliberale Aushöhlung der Menschlichkeit. Aber dann halt: Während die Staatsorgane klarmachen, wo der Hammer hängt und Widerstand von Jugendlichen gegen neoliberale Politik, die – krass – Bierflaschen geworfen haben, mit aller gegebenen Härte bestraft, damit sich so ein Angriff nie wiederholt, damit klar wird, dass linker Widerstand im Zweifel immer härter geahndet wird als rechte Pöbeleien, Straftaten, Schlägereien, Angriffe.
Es gilt, Position zu beziehen. Die unglaubliche Schlaffheit linker Positionen, dieses Tee trinken und kuscheln, der Kampf für Sojaburger und Wiesenblumen gehen an dem vorbei, was sich draußen formiert: faschistische Bewegungen, mit denen nicht zu reden ist, weil man nicht gegen Schreien anreden kann.
Vielleicht ist der Schwarze Block, die jungen Menschen der Antifaschisten, die Faschisten mit dem einzigen Argument begegnen, das Faschisten verstehen, die einzige Bewegung neben einem digital organisierten Widerstand, die eine Wirkung hat. Es wird nichts mehr von alleine gut. Die Regierung wird uns nicht retten. Allein eine Neudefinition des Begriffs linker Aktivismus kann den Schwachsinn des Hasses und der Menschenverachtung stoppen.
Während die guten Linken immer noch sitzen und über eine gelungene Gesprächsführung mit Schlägern, Brüllern und Menschenhassern nachdenken, spielt draußen das gute alte Liedgut, die ersten Schaufenster werden beschmiert und Fahnen gehisst.
Die Zeit des Redens ist vorbei.
Es geht um die Rettung der Menschlichkeit.