Nina Power
Liebe und Krieg
„Je weniger du ißt, trinkst, Bücher kaufst, in das Theater, auf den Ball, zum Wirtshaus gehst, denkst, liebst, theoretisierst, singst, malst, fichtst etc. um so mehr sparst du, um so größer wird dein Schatz, den weder Motten noch Raub fressen, dein Kapital … Alle Leidenschaften und alle Tätigkeit muß also untergehn in der Habsucht. Der Arbeiter darf nur soviel haben, daß er leben will, und darf nur leben wollen, um zu haben.“ Karl Marx
Heutzutage vertreten wir eine ziemlich dürftige Idee von Liebe, auch wenn die Aussichten auf eine gegenseitige Liebe die größte Verwunderung und Möglichkeit mit sich bringen. Wir möchten – keine Liebe – geliebt werden und uns wird eingetrichtert, dass es unser größtes Ziel im Leben sei, zum „Objekt“ der Begierde und der Verehrung einer anderen Person zu werden. Damit ergibt sich bereits das erste Problem: Wenn jeder so sehr damit beschäftigt ist, das geliebte Objekt zu werden, wer bleibt dann übrig, um zu lieben? Kann ein Objekt zurücklieben? Man könnte versuchen, Personen in Gruppen aufzuteilen – in der einen Gruppe befinden sich diejenigen, die geliebt werden sollten, und in der anderen diejenigen, die lieben sollten. Man könnte eine Gruppe „Frauen“ und die andere „Männer“ nennen. Oder man könnte eine Gruppe „junge Männer“ und die andere „ältere Männer“ nennen. Oder wir könnten einander „Genossen“ nennen und uns gegenseitig gleich viel und intensiv lieben, wie wir es uns selbst wünschen, unabhängig der anderen Rollen, die uns auferlegt werden. Und wenn wir Liebe sagen, müssen wir bedenken, dass all die anderen Bedeutungen dieses Wortes verloren gegangen sind oder besser gesagt: Wir haben diesem Wort zu viel aufgetragen. Kann man die Liebe zwischen einer Mutter und einem Kind, zwischen zwei Freunden, innerhalb einer Gruppe, der ganzen Menschheit und eines Fremden auf der Straße mit diesem einen Wort zusammenfassen – Liebe? Vielleicht erträgt es das, vielleicht auch nicht. Wir verwechseln Zuneigung mit Liebe, was das Gleiche sein kann, und ganz sicher verwechseln wir Sex mit Liebe, was ebenso – manchmal – das Gleiche sein kann.
Aber wir haben es mit den großen, abstrakten, Feinden der Liebe zu tun: Habgier, Kapital, Nationen, Krieg. Natürlich können wir Geld, Ausbeutung, Grenzen und Gewalt „lieben“ und tatsächlich ermutigt uns die Politik von allen Seiten dazu. Normalerweise merken wir, wenn wir gezwungen werden, etwas gegen unseren Willen zu lieben. Das Problem ist, wenn wir uns unseres eigenen Willens nicht mehr bewusst sind und wir gezwungen werden, Dinge zu lieben, die nichts fühlen, Arbeit, die schadet, Ideen, die mit Blutvergießen enden. Liebe und Krieg befinden sich selbst im Krieg: Um ein Soldat der Liebe zu sein, muss man die Menschheit über alles stellen.