Wolfgang Wendland: Kann Liebe staatstragend sein? 2018-05-14T15:11:56+00:00

Wolfgang Wendland

Kann Liebe
staatstragend sein?

Liebe, ein starkes Gefühl der Verbundenheit, kann sich auf alles Mögliche beziehen, nicht nur auf die Lebenspartnerin bzw. den Lebenspartner, sondern auch auf Heimat, Vaterland, den Nächsten und, um diese sicher nicht vollständige Liste abzuschließen, auf sich selbst.

„Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen!“, so eine Forderung heutiger Nazis, die sich selbst mitunter eher als „das Volk“ oder „Patrioten“ bezeichnen. Hier scheint es sich um einen krassen Fall von Vaterlandsliebe zu handeln, ein Begriff, der meist dann aufkommt, wenn es darum geht, in den Krieg zu ziehen. In Deutschland ist der Begriff Vaterland derart eindeutig mit den Verbrechen der Nazizeit konnotiert, dass klar ist: Der Deutsche hat kein Vaterland. Die beste Übersetzung des Begriffs Vaterland lieferte Curd Jürgens 1955 als „Des Teufels General“ in Helmut Käutners (Produzent: Walter Koppel) gleichnamigem Film: „Was haben sie da gesagt? Vaterland? Was verstehen sie denn darunter? Buchstabieren sie doch mal: V wie Volksgerichtshof, A wie Aufhängen, T wie Totschlagen, E wie Erschießen, R wie Rassenverfolgung, L wie Lager, Auschwitz, Neuengamme, Dachau.“

Der Begriff Heimatliebe ist Unsinn, oder zumindest tautologisch, weil die Heimat etwas ist, mit dem man sich, z. B. weil man dort aufgewachsen ist, ohnehin verbunden fühlt. Es wäre also die Verbindung mit dem, mit dem man ohnehin verbunden ist.
Bleibt noch die Frage, ob Nächstenliebe Motiv politischen Handelns sein kann. Die neu-testamentarische Forderung, „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ bezieht sich auf einen einzelnen Menschen, der einen konkreten Nächsten hat, ist also eher eine Regel für das zwischenmenschliche Handeln und keine für den Umgang einer Regierung mit einer Masse von Einwohnern.

Hier gilt eher – um biblisch zu bleiben – Jakobus 4,17: „Denn wer da weiß Gutes zu tun, und tut‘s nicht, dem ist‘s Sünde.“
Doch was ist das Gute? Hier hilft der Kategorische Imperativ von Kant weiter:

„Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“